Seit einem halben Jahr gibt es in Hiltrup das wohl bundesweit einmalige Flüchtlingsnetzwerk. Auf einem Onlineportal stellen Menschen quer durch alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten Sach- und Dienstleistungen ein für Flüchtlinge ein. Die heimischen Flüchtlingseinrichtungen geben ihrerseits ihre Bedarfe über Sozialarbeiter und anderer Helfer vor Ort selber ein. So wird bedarfsgerecht und zeitnah geholfen. Das Portal „www.fluechtlingsnetzwerk-hiltrup.de“ ist seit Anfang an ein viraler Hit. Kommt gut an. Im Netz und der realen Welt. Bezirksbürgermeister Joachim Schmidt wollte nun wissen, wo das Netzwerk noch mehr Hilfe benötigt.
Ob in der Stadthalle oder im Pfarrhaus Amelsbüren – überall warten Flüchtlinge händeringend darauf, wie über ihren Asylantrag entschieden wird. Seit Wochen und Monaten. Jeden Tag aufs Neue. Bis dahin haben sie zwar ein Dach über dem Kopf, können aber den ganzen Tag lang nichts machen. Ihnen fehlt eine berufliche Betätigung oder sinnvolle Freizeitgestaltung. Deshalb bemüht sich das Flüchtlingsnetzwerk Hiltrup mit Nachdruck darum, Flüchtlinge nach vorhandenen Fähigkeiten und Ausbildungen in Praktikumsstellen oder ehrenamtliche Teams zu vermitteln.
Doch es tut sich nichts. Nun will sich Bezirksbürgermeister Joachim Schmidt dieses Themas annehmen. Er sprach am Mittwoch mit Mitgliedern des ehrenamtlichen Koordinierungskreises des Netzwerks. Um Dank zu sagen für „eine ganz hervorragende ehrenamtliche Arbeit“ und um zu wissen, wo der Schuh noch drückt.
Magdalene Faber teilte mit, dass die Unterstützung aus der Bevölkerung erfreulich groß sei: „Erst neulich boten Leute an, mit ihrem Auto mitsamt Anhängerkupplung bei Transporten zu helfen, andere spendeten hochwertige Rattanmöbel.“ Aber es fehle halt den Flüchtlingen überall an sinnvollen Betätigungen. Eine 80-Jährige hat zwei junge Cousins in ihrer Souterrainwohnung untergebracht und lebt nach eigenem Angaben mit ihnen gut zusammen. „Die alte Dame sorgt sich nur darüber, das die beiden Flüchtlinge den ganzen Tag überhaupt nichts zu tun haben“, berichtete Faber. Schon vor geraumer Zeit habe das Flüchtlingsnetzwerk einen Brief an den Wirtschaftsverbund Hiltrup und an den Gewerbe- und Handwerkerverein Amelsbüren geschickt mit der Bitte um Praktikastellen. „Da ist noch nichts gekommen“, ärgert sich Faber.
Nun will Bezirksbürgermeister Schmidt nachhaken, das Thema auch in der nächsten Sitzung des Ausländerbeirates ansprechen.
Angelika Farwick-Hajek (Ehrenamt Stadthalle) ergänzte: „Wir brauchen mehr Paten für Flüchtlinge, die zum Beispiel Spaziergänge mit ihnen machen oder einfach mit ihnen reden.“
Nächster Knackpunkt: Wohnungen für Flüchtlinge. „Von den Maklern kommt keine Rückmeldung“, sagt Ehrenamtlerin Heike Witzel, „außer dem Hinweis keine Courtage vom Vermieter zu bekommen, wenn Flüchtlinge die Mieter sind“.
Als gute Nachricht wertet es Schmidt, dass die Kinder schnell Deutsch lernen. Ein Problem sei es jedoch, wenn sie dann zum Dolmetscher ihrer Eltern werden und die das nicht akzeptieren, weil solch ein Vorgehen mit dem Selbstbild des dominanten Vaters kollidiere.
Aus Amelsbüren kommt die Nachricht, dass alle Flüchtlingskinder in den Kitas sind und in der Davertschule eingeschult sind. Bürgermeister Joachim Schmidt will sicherstellen, das zum neuen Schuljahresbeginn 2016/17 alle Flüchtlingskinder in heimischen Bildungseinrichtungen untergebracht sind.
„Woran fehlt es noch“, fragt Schmidt in die Runde des Koordinierungskreises. Die Antwort kommt schnell: „Wir brauchen Spielzeug und Gesellschaftsspiele, auch um das Zusammenspielen zu fördern.“ Fahrräder werden immer benötigt. Ein Radtraining findet bald auf Haus Heidhorn statt.
Als erste „Anschubfinanzierung“ überreichte Schmidt einen Gutschein in Höhe von 50 Euro für Spielsachen. Das Netzwerk dankte Vereinen, wie zum Beispiel dem TuS Hiltrup und dem Reitverein Amelsbüren, für ihre offene Integration von Flüchtlingen.
Hand in Hand für das Flüchtlingsnetzwerk: Angelika Farwick-Hajek (Ehrenamt Stadthalle), Lätitia Maurath (Caritasverband), Heike Witzel (Ehrenamt Sachspenden/Wohnungen), Stefan Leibold (Betreuung Homepage) Magdalene Faber (Stadtteilbücherei), Bürgermeister Joachim Schmidt und Reinhard Boywitt (Diakon). Foto: Peter Sauer
(Quelle: WN vom 01.06.2016)